16. September 2015

Sie, ihre Schuhe, Sigmund Freud und Frauenrechte

Nicht, dass mich in diesem Blog das Zauberwort „Schuhe“ nicht mehr als einmal beschäftigt hätte, aber ein fundierter, rein den Schuhen gewidmeter Beitrag fehlte bisher. Als ich mit dem Schreiben anfing, musste ich zwangsläufig an die Folge von „Sex and the City“ „A woman’s right to shoes“ denken: Ihr erinnert Euch? Carrie und Stanford sind bei Freunden anlässlich der Geburt ihres zweiten Kindes eingeladen und müssen gemäß der Hausregeln der Gastgeber vor der Tür ihre Schuhe ausziehen. Als Carrie die Party verlassen möchte, sind die brandneuen silbernen Manolos verschwunden …
Ich muss zugeben, zu den Verrückten zu gehören, die während der „Sex and the City“-Ära am Dienstagabend Cosmopolitan-Fernsehabende mit Freundinnen zu Hause organisierte und die bereits zu Beginn der „SATC-Mania“ im Jahre 2003 in der Boutique von Marion Heinrich in München mit einem Paar Manolo Blahnik-Stilettos ihr Konto fast ruinierte. Eine doch visionäre Investition, wie sich später herausstellte, denn diese Schuhe trage ich heute noch 😉

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Ich merke gerade, wie meine Schuh-Geschichten aus den Tiefen meiner verdrängten Erinnerungen hoch kommen. Wie uns Sigmund Freud gelehrt hat, ist Verdrängung ja der beste psychologische Abwehrmechanismus, um bedrohliche Sachverhalte von der bewussten Wahrnehmung auszuschließen. Die bedrohlichen Sachverhalte wären in diesem Fall die Beträge, die ich in meinem Leben für Schuhe ausgegeben habe …

Da waren doch diese roten Plateau-Heels, die ich vor Jahren in Düsseldorf kaufte. Zu der Zeit machte ich ein Praktikum im Rechtsreferat des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte in Bonn und durfte in dem Haus einer Verwandten wohnen, einer Psychoanalytikerin. Wenn schon in der Gegend, konnte ich es mir nicht entgehen lassen, an einem Samstag nach Düsseldorf zum Shoppen und Flanieren auf der Königsallee zu fahren. Abends kehrte ich mit meiner Beute nach Bonn zurück, einem Paar roten Plateau-Heels des hierzulande kaum bekannten römischen Designers Fausto Santini. Mit dem Spruch meiner Gastgeberin, der Psychoanalytikerin, als ich ihr meine neuen Schuhe zeigte, hatte ich allerdings nicht gerechnet: Sie seien wohl ein klares Phallussymbol!
Sigmund Freund und C.G. Jung lassen grüßen!

Nun wird es aber Zeit diesen Spruch näher zu analysieren, was ich damals versäumte. Die Freude über die neuen roten Schuhe war wohl zu groß.

Zunächst einfach mal zur Klarstellung: Nicht wir Frauen sind diejenigen, die die High-Heels zuerst anzogen, sondern die Männer waren es. Ludwig XIV. machte die Absätze der Uniform der persischen Kavallerie zu einem modischen Statement im französischen Hof. Nun ja, ich bin mir sicher, seine „Hofstylisten“ fanden damit endlich die Lösung, den einzigen Defekt des sonst so sonnengleichen Königs, nämlich die nicht gerade königliche Größe von 1.63 m, zu kaschieren. Als wären die 10 cm-Absätze nicht genug, mussten die nur für Hofmitglieder bestimmten Schuhe per Edikt auch noch rote Absätze und rote Sohlen haben. Die ersten Louboutins waren geboren …
Der neue Trend aus Frankreich begeisterte bald auch den englischen Hof und so fing auch Karl II. an – trotz seiner 1.85 m – in rot-besohlten High-Heels zu erscheinen. Ich stelle mir das ungefähr so vor, als würde David Cameron plötzlich an den speziellen „Lift-Schuhen“ von Nicolas Sarkozy Gefallen finden 😉

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Louis XIV. im Krönungsornat – Porträt von Hyazinthe Rigaud, 1701

Irgendwann waren auch die Hof-Damen von dem Absatz-Trend angetan. Das war sozusagen der damalige Boyfriend-Look;-) Offensichtlich waren damals die Boyfriend-Heels, was heute die Boyfriend-Jeans und Boyfriend-Hemden sind. Die vermeintlich typisch männlichen Eigenschaften, das Martialische, das Souveräne, das Heldenhafte, ja das Coole scheint wohl das zu sein, was wir auf modischer Ebene nachahmen wollen. Ist also die phallische Konnotation unserer Schuhabsätze das Streben, die kämpferische Amazone in uns durch Elemente männlicher Kleidung zu zeigen?

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Aber ab wann machten die Absatzschuhe uns dann doch zu der scheuen Aschenputtel, die ihren rettenden Prinzen nur durch ihren verlorenen Schuh finden konnte? Und was ist mit den erotischen, ja sexuellen Signale, die unsere High Heels aussenden sollen? Freud wusste Einiges davon zu berichten … Wer übrigens, wie auch ich dachte, die hohen Absätze seien die einzigen „Verdächtigen“ in Sachen Schuhe und Erotik, liegt wohl falsch. Auch Ballerinas kämmen nicht gut davon, wenn sie so ausgeschnitten sind, dass sie an das Dekolleté erinnern, ließ ich mir von meiner Verwandten, der Psychotherapeutin, sagen.

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Wir können wohl alles sein: mal die souveräne Monarchin, mal das scheue Aschenputtel und mal das verführerische Vamp in „Mörderabsätzen“! Welchen Weg wir in unseren Schuhen gehen wollen, entscheiden wir selbst, ohne dass uns jemand eine Rolle zuteilt, nämlich die des schwachen Geschlechts. Meine liebe Großmutter trug während des zweiten Weltkrieges als Kämpferin in der Untergrundbewegung den Decknamen „Der Absatz“, weil sie gerne höhere Schuhe anzog.

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Weiße Bluse: Jil Sander; Hose und Sandalen: Prada; Gürtel: Salvatore Ferragamo; Herrenkrawatte,  als Gürtel getragen: Hermes vintage; Tasche: Benedetta Bruzzhiches 

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Kleid, Stilettos und Gürtel: Prada; Herrenkrawatte: Hermes vintage; Tasche: Louis Vuitton vintage

Die Männer waren einst auch Helden in Strumpfhosen und High Heels. Wir können es ebenso sein!

P.S.: Wer mehr über das Mysterium Schuhe erfahren möchte, dem seien zwei fast zeitgleich laufende Ausstellungen empfohlen: „Shoes: Pleasure and Pain“ im Victoria and Albert Museum in London und „Footprint: Die Spuren von Schuhen in der Mode“ im ModeMuseum Antwerpen. Mehr über das Thema Männer und High Heels zu lesen hier, in dem Artikel “Why did men stop wearing high heels” von William Kremer (BBC World Service).

Ein besonderer Dank gilt dem Team, das die Fotos von mir in diesem Blogbeitrag ermöglichte: Fotograf: David Helmrich, Make-up: Tanja Marjanovic, Fotolocation: Hotel The Westin Grand Frankfurt

2 Gedanken zu „Sie, ihre Schuhe, Sigmund Freud und Frauenrechte

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